Die Ohnmachtsprinzessin

von Lea Kruppke

 

Oh nein, nicht schon wieder“, kreischten die Zofen der Prinzessin Adelheid Anna Klara, als diese ohnmächtig in die Arme des eigens als Ohnmachtsauffänger eingestellten Dieners fiel. Die Prinzen, die um sie herumstanden, wichen zurück.

„Geht es ihr gut?“, fragte die Zofe Clotilde, die sich schon wieder mächtig erschrocken hatte.

„Lasst nach dem Arzt rufen!“, rief der Ohnmachtsdiener, der, während er dies sagte, die Prinzessin auf einem neben ihnen stehenden Stuhl bettete.

Prinzessin Adelheid Anna Klara schlug die Augen auf. Sie fühlte sich schwach und ihr Herz pochte rasend schnell. Langsam beruhigte es sich wieder.

Oh nein, nicht schon wieder, dachte sie, sagte aber nichts.

Von nicht allzu weit her hörte man die schnellen Schritte des Leibarztes des Königs, Dr. Pustel, der zum Geschehen eilte. „Wie geht es Ihnen, Eure königliche Hoheit?“, fragte er besorgt, kniete sich neben Adelheid Anna Klara nieder und versuchte, an ihrem Handgelenk ihren Puls zu ertasten.

„Schon besser“, murmelte die Prinzessin irritiert.

„Informiert den König!“, befahl Leibarzt Pustel und sofort lief Clotilde los.

„Es geht wirklich wieder“, flüsterte die Prinzessin, der der ganze Trubel furchtbar peinlich war. Sie wusste auch nicht, warum ihr das in letzter Zeit immer wieder passierte. Und das auch noch vor den vielen Prinzen, die sich nur ihretwegen im Schloss eingefunden hatten. Einer von ihnen sollte ihr Mann werden. Doch bis jetzt hatte sie noch keinen der Prinzen näher kennenlernen können, weil sie andauernd und ohne Anlass ihr Bewusstsein verlor. Langsam machte sie sich deswegen Sorgen. Auch ihr war klar, dass es irgendwie nicht normal war. Die Prinzen mussten sie ja für total bescheuert und einfältig halten! Wer wollte schon eine Prinzessin zur Frau, die ständig zusammenklappte?

Fragend blickte sich Dr. Pustel zu den Zofen um.

„Was ist kurz davor passiert?“

„Nichts besonderes“, antwortete die Zofe Mathilda Sophie. „Wir standen am Fenster und beobachteten die Männer im Garten.“

Sie errötete.

Zofe Antonella stimmte ihr zu: „Ja, wir standen nur da und haben Tee getrunken.“

„Prinzessin Adelheid Anna Klara hat von ihrem Keks abgebissen, bevor sie in Ohnmacht fiel“, rief Mathilda Sophie, „kann es daran liegen?“

„Ich weiß nicht“, antwortete Dr. Pustel. „Haben Sie sich vielleicht verschluckt und keine Luft mehr bekommen?“, fragte er die Prinzessin.

Diese schüttelte traurig den Kopf.

„Das würde auch nicht erklären warum sie diese Woche schon sieben Mal in Ohnmacht gefallen sind“, erklärte der Arzt achselzuckend.

In diesem Moment betrat König Rauschebart den großen Saal und eilte zu seiner Tochter.

„Geht es dir gut?“, fragte er sie besorgt. Prinzessin Adelheid Anna Klara nickte und ließ sich von ihrem Vater in den Arm nehmen. Das tat gut.

„Was machst du nur für Sachen in letzter Zeit?“

Er sah sie besorgt an. Sie konnte darauf keine Antwort geben und zuckte nur mit den Schultern.

„Ich erinnere mich, dass mir auffiel, wie sehr der Keks nach Zimt schmeckte“, überlegte sie laut.

„Eine Allergie gegen Zimt vielleicht?“, rief einer der Prinzen und sah den Leibarzt des Königs fragend an.

„Hm, das könnte vielleicht ein Grund gewesen sein. Ich werde Blut abnehmen, um diese Theorie zu überprüfen.“

„Ich mache mir ernsthafte Sorgen“, sagte König Rauschebart. Zu seinem Leibarzt gewandt fuhr er fort: „Ich möchte, dass schnellstmöglich herausgefunden wird, was der Prinzessin fehlt!“

„Zu Befehl“, antwortete Leibarzt Dr. Pustel.

Doch der Bluttest ergab nichts. Die Blutwerte waren allesamt in Ordnung und die Prinzessin hatte auch keine Allergie gegen das Zimtgewürz. Dr. Pustel machte noch viele weitere Untersuchungen, aber er konnte nicht herausfinden, was Prinzessin Adelheid Anna Klara fehlte.

Langsam wusste König Rauschebart nicht mehr, wie er seiner Tochter helfen sollte. Er hatte bereits seine erste Idee verworfen, die Prinzessin mit Tüchern und Kissen zu polstern, auf dass sie wenigstens weich fallen würde. Stattdessen hatte er auf den Rat seiner Berater gehört und einen zusätzlicher Diener eingestellt, dessen einzige Aufgabe es war, die Prinzessin aufzufangen, sodass sie sich nicht verletzen würde.

Jetzt wollte er zu besonderen Maßnahmen greifen. Er rief die Prinzen zu sich in den großen Saal und erklärte ihnen, dass es keine Vermählung geben würde, bis nicht herausgefunden sei, warum die Prinzessin in Ohnmacht fiel.

Die Prinzen waren von weit her angereist und waren enttäuscht. Es wusste ja keiner, wie lange es dauern würde und ob die Prinzessin überhaupt geheilt werden konnte.

Bis auf drei Prinzen verließen alle das Schloss und kehrten in ihre Heimatländer zurück. Dann rief der König seine Boten zu sich und verkündete: „Lasst nach den besten Ärzten des Landes schicken! Ich setze hunderttausend Goldstücke als Belohnung aus für denjenigen oder diejenige, die den Grund für die Ohnmachtsanfälle meiner Tochter herausfindet, und noch einmal hunderttausend Goldstücke, wenn Prinzessin Adelheid Anna Klara auch davon geheilt werden kann. Ich möchte alles probieren, alle Ideen werden angehört, keine Methode ist zu kurios, keine Therapie zu außergewöhnlich.“

Die Boten eilten davon. Bei so einer hohen Belohnung kamen schnell viele Ärzte, Apotheker und Wunderheiler, die versuchen wollten, Prinzessin Adelheid Anna Klara von ihren Ohnmachtsanfällen zu erlösen.

Im großen Saal des Schlosses wurden Tränke und Tinkturen gebraut, von denen einige so fürchterlich stanken, dass der Geruch noch wochenlang in den Vorhängen festhing. Jeder, der einen Vorschlag machen wollte, durfte vor König Rauschebart treten und diesen kundtun.

„Ich denke, dass die Ursache für die Ohnmachtsanfälle der königlichen Hoheit nervliche Gründe sind und schlage daher vor, Prinzessin Adelheid Anna Klara ordentlich durchzurütteln, sodass alles in ihrem Kopf wieder an die richtige Stelle kommt“, schlug etwa Meister Kohlbarsch König Rauschebart vor.

„Wie stellen Sie sich das denn vor?“, rief dieser erschrocken.

„Es ist anzunehmen, dass sich die Nervenbahnen im Kopf der Prinzessin verschoben haben und somit fehlerhafte Informationen weitergeleitet werden. Ihr Kopf sagt der Prinzessin, es gäbe eine große Gefahr, obwohl dem nichts so ist, und um sich zu schützen, fällt sie in Ohnmacht. Deshalb schlage ich vor, die königliche Hoheit erst auf eine Rüttelplatte zu schnallen und anschließend langsam in einer großen Schaukel einzudrehen, loszulassen und sie fünf Minuten lang schnell ausdrehen zu lassen. Danach sollte es ihr wieder gut gehen.“

Überzeugt von seiner Theorie schaute er den König erwartungsvoll an. Dieser schaute zu seiner Tochter hinüber. Während der Erzählung Meister Kohlbarschs hatte sie sich unwillkürlich an den Kopf gefasst, um die verschobenen Nervenbahnen vielleicht ertasten zu können. Die Prinzessin erhob sich, doch als sie den Mund zum Sprechen öffnen wollte, fiel sie in Ohnmacht. Ihr Ohnmachtsdiener konnte sie gerade noch auffangen und bugsierte sie wieder auf ihren Thron.

Als die Prinzessin kurze Zeit später wieder zu sich kam, schaute sie ihren Vater an und hauchte matt: „Na dann, lasst es uns versuchen!“

Es wurden entsprechende Vorbereitungen getroffen. In dieser Zeit kam auch die Prinzessin wieder etwas zu Kräften, dann wurde sie mit einem Gürtel auf die Rüttelplatte geschnallt. Zehn Minuten wurde sie von vorne nach hinten, von rechts nach links, ja, sogar von oben nach unten durchgeschüttelt und geruckelt.

Anschließend, die Prinzessin war noch ganz benommen, vielleicht war sie während dieser zehn Minuten auch noch einmal in Ohnmacht gefallen, wurde sie von ihrem Ohnmachtsdiener in den Innenhof des Schlosses getragen. Dort war von einem großen Spitzdachturm zum anderen großen Spitzdachturm eine Schaukel gespannt worden, in die die Prinzessin eingedreht wurde.

Zuerst ging das noch ganz leicht, aber zum Ende hin wurden für das Eindrehen alle Diener des Schlosses benötigt, sogar der Küchenmeister und seine Lehrlinge mussten mithelfen. Als das Seil der Schaukel bis zum obersten Punkt eingedreht war, pochte König Rauschebart mit seinem königlichen Zepter vom Balkon aus auf den Boden. Das war das abgesprochene Zeichen. Alle ließen los und sprangen zur Seite.

Die Schaukel mit der Prinzessin auf dem Brett drehte sich so schnell herum, dass sie nur noch als Flimmern an allen vorbeisauste und einem schon beim Zusehen schwindelig wurde. Meister Kohlbarsch stand neben dem König auf dem Balkon und stoppte die Zeit.

Nach fünf Minuten drehte sich die Schaukel jedoch immer noch so schnell, dass keiner sie anhalten konnte. Diejenigen, die sich nah genug herantrauten, erwischte das Schaukelbrett oder das Seil und sie wurden zur Seite geschleudert. Nach drei Verletzten blieb dem König nichts weiter übrig, als zu warten, bis die Schaukel endlich von alleine aufhörte, sich auszudrehen.

Nachdem Prinzessin Adelheid Anna Klara eine Viertelstunde in eine Richtung gekreist war, wurde die Schaukel endlich langsamer und hielt schließlich an. Doch noch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, kippte die Prinzessin rückwärts von der Schaukel. Nicht einmal der Ohnmachtsdiener war schnell genug zur Stelle, um sie aufzufangen.

Enttäuscht wandte sich König Rauschebart ab und verließ den königlichen Balkon, um sich in seine Gemächer zurückzuziehen.

Als die Prinzessin wieder zu sich kam, musste sie sich mitten auf dem Schlosshof übergeben. Meister Kohlbarsch verließ beschämt das Schloss, und auch einer der drei Prinzen, die geblieben waren, verließ bei so viel Unsinn den Hof. Prinzessin Adelheid Anna Klara hingegen konnte eine Woche lang nicht mehr geradeaus gehen, sodass sie ihre Wege kreisend und wankend zurücklegte.

Andere, die ihre Hilfe anboten, waren der festen Überzeugung, dass die Ohnmachtsanfälle der Prinzessin Adelheid Anna Klara keine medizinische Ursache hatten. So auch Hofnarr Ed von Burg Barg.

Als er vor den König und seine Tochter trat, beschwor er sie: „Die Ohnmachtsanfälle haben nichts mit einer Erkrankung zu tun. Bei der Ohnmacht ist es wie mit einem Schluckauf. Ein richtiger Schreck, der durch Mark und Bein geht, hat schon so manches Wunder bewirkt.“

Der König richtete sich in seinem Thron auf und hörte aufmerksam zu. An die Prinzessin gewandt fuhr der Hofnarr Ed von Burg Barg fort: „Wenn Ihr erlaubt, Eure königliche Hoheit, möchte ich um Eure Erlaubnis bitten, Sie in den nächsten Tagen, ohne dass Sie wissen wann, so richtig doll erschrecken zu dürfen. Sie werden sehen, dass Sie anschließend nicht mehr ohnmächtig werden.“

Adelheid Anna Klara hörte interessiert zu und fand, dass dieser Vorschlag sich doch sehr vernünftig anhörte, vernünftiger zumindest, als sich in eine Schaukel eindrehen zu lassen. Also antwortete sie: „So sei es! Sie haben hiermit die Erlaubnis, mich in den nächsten Tagen zu erschrecken. Strengen Sie sich an!“

Doch während sie dies sagte, wurde ihr schwarz vor Augen und sie verlor für ein paar Sekunden das Bewusstsein. Nach diesem erneuten Ohnmachtsanfall erhob sich König Rauschebart traurig und wandte sich an den Hofnarr: „Besser, Sie erschrecken meine geliebte Tochter früher als später.“

Hofnarr Ed von Burg Barg beriet sich eine Weile mit den Beratern und Strategen des Königs, um den besten Schreck für die Prinzessin auszuarbeiten. Sehr bald hatten sie eine Idee und trafen gemeinsam mit den Dienern die Vorbereitungen.

Als nun Prinzessin Adelheid Anna Klara am nächsten Morgen nach dem Frühstück mit ihren Zofen in den Garten ging, wurde der König informiert, dass der große Schreck gleich losgehen würde.

König Rauschebart bezog Position auf dem königlichen Balkon. Die Prinzessin und ihre Zofen ahnten nichts. Sie liefen durch den Garten, genossen die Blumen und die warmen Sonnenstrahlen und unterhielten sich angeregt über die vielen vergeblichen Hilfeversuche, der Prinzessin die Ohnmacht zu nehmen.

Plötzlich verstummte Clotilde, weil sie einen Schwefelgeruch bemerkte und Rauch hinter einem Fliederbusch hervorquellen sah. Auch Mathilda Sophie begann zu zittern. Der Ohnmachtsdiener trat schnell hinter die Prinzessin, aber diese stand noch.

Dann kam hinter dem Fliederbusch ein riesiger Drachenkopf zum Vorschein, er spie Feuer und kam schnell auf die Prinzessin und ihre Zofen zu. Der Drache hatte einen großen Kopf und einen langen, schmalen Körper mit vielen kleinen Füssen daran.

Das Folgende ging blitzschnell. Einer der vorderen Drachenfüße stolperte, die hinteren Füße verloren das Gleichgewicht und der ganze Drache fiel um. Unter dem Drachenkörper kamen, nun, da er im Gras lag, zwanzig Diener des Schlosses zum Vorschein. Es war ein heilloses Durcheinander und Gezappel. Die Zofen mussten bei diesem Anblick laut auflachen.

Auch Prinzessin Adelheid Anna Klara fand den Vorfall höchst amüsant, aber noch bevor sich ihr Mund zu einem Lachen verziehen konnte, wurden ihre Beine schwach, hob sie die Hand an die Stirn und fiel in Ohnmacht.

Der Ohnmachtsdiener war so abgelenkt von dem Geschehen, dass er nicht rechtzeitig eingriff. Doch zum Glück landete die Prinzessin nicht im Gras, denn Prinz Henry hatte die Situation blitzschnell erfasst und war rechtzeitig zur Prinzessin gelangt. Kurze Zeit später erwachte Prinzessin Adelheid Anna Klara wieder aus ihrer Ohnmacht und bedankte sich schüchtern bei dem Prinzen.

Der König, der alles von seinem Balkon aus angesehen hatte, hätte auch gerne gelacht. Aber er war so enttäuscht, dass er seine Tochter wieder im Garten zusammensinken sah, dass er nicht lachen konnte. So drehte er sich um und verließ den Balkon. Hofnarr Ed von Burg Barg war die ganze Sache unerklärlich. Was konnte es Erschreckenderes für eine Prinzessin geben als einen Drachen? Niedergeschlagen verließ auch er das Schloss.

 

Prinz Friedrich, der zweite der ursprünglich drei Prinzen, die geblieben waren, entschied sich, nicht länger warten zu wollen, und machte sich ebenfalls auf den Weg zurück in seine Heimat.

Einen letzten Versuch wollten König Rauschebart und seine Tochter noch wagen, als eine Hexe vorsprach und ihre Dienste anbot.

„Hexe Rawia, wie lautet Euer Vorschlag, um meiner geliebten Tochter zu helfen?“, fragte der König, ohne noch große Hoffnung zu hegen.

„Nun denn, ich war bereits sieben Jahre in der großen Hexenschule in Brox und ich kann bestimmte Dinge herbeizaubern und verwandeln.“

„Und wie genau soll mir das helfen?“, fragte die Prinzessin ungeduldig.

„Ich könnte versuchen, die Ohnmacht wegzuzaubern.“

„Habt Ihr das schon einmal gemacht?“, fragte die Prinzessin weiter.

„Nun ja, nein, Eure königliche Hoheit“, musste die Hexe zugeben.

„Also wissen wir wieder nicht, ob es funktioniert. Und vielleicht ist am Ende diesmal alles sogar schlimmer“, fasste Prinzessin Adelheid Anna Klara die Situation zusammen.

Die Zofen nickten zustimmend. Hatte denn wirklich keiner eine richtig gute Idee? Da mischte sich der König ein und besprach sich mit seiner Tochter: „Wollten wir nicht alles ausprobieren? Willst du denn immer und immer wieder in Ohnmacht fallen?“

„Ob ich das will?“, flüsterte die Prinzessin beleidigt zurück. „Natürlich will ich das nicht. Aber wir wissen ja nicht einmal, wie gut diese Hexe hexen kann!“

„Du hast recht, meine liebe Tochter“, antwortete der König leise und fuhr dann laut hörbar für alle fort: „Liebe Rawia, vielleicht könnt Ihr uns zunächst von euren Hexenkünsten überzeugen?“

„Nun ja“, antwortete diese sehr von sich überzeugt, „das kann ich gerne tun.“

„Dann möchte ich, dass Ihr drei Aufgaben meistert, bevor ich Euch versuchen lasse, meine Ohnmacht mit Hexenkraft zu heilen“, begann Prinzessin Adelheid Anna Klara.

„Lasst uns mit etwas Einfachem beginnen. Wie wäre es mit einer Melone für jeden?“

„Natürlich eure Hoheit, das ist überhaupt kein Problem“, erwiderte die Hexe Rawia und begann mit ihren Beschwörungen.

„Großes Mammut, kleine Zitrone, für jeden einen Hut auf den Kopf, eine Melone!“

Keine Sekunde später trugen alle im Saal als Kopfbedeckung eine wunderbare schwarze Melone.

„Oh“, entwicht es der Prinzessin, „da hab‘ ich mich wohl nicht eindeutig genug ausgedrückt. Ich dachte an die Melone als Frucht, nicht an den Hut.“

„Aber es hat funktioniert“, triumphierte der König, der endlich eine Chance auf Heilung seiner Tochter sah.

„Wünsch dir geschwind deine zwei weiteren Wünsche!“

„Gut. Diesmal soll es etwas Medizinisches sein, denn schließlich ist auch die Ohnmacht eine Krankheit, nicht wahr?“, erklärte die Prinzessin.

„Lasst nach Magd Tusnelda schicken, sie hat ein schmerzhaftes Rückenleiden! Ich möchte, dass Ihr, Hexe Rawia, sie von diesem erlöst.“

Es wurde also ein Diener geschickt, um die Magd zu holen. Dann begann die Hexe mit ihrem Spruch:

„Alpenweiden, Kunststoffseiden, ich erlöse dich von deinem Rückenleiden. Ohne Grund und mit viel Schwund bist du wieder gesund!“

Alle starrten gespannt auf Magd Tusnelda. Diese fühlte innerhalb der nächsten Sekunde keine Schmerzen mehr in ihrem Rücken, was keiner wusste, da sie es noch nicht ausgesprochen hatte, aber dafür war auf ihrem Rücken ein riesengroßer Buckel erschienen.

„Oh wie hässlich!“, entfuhr es einer Dienerin in der Ecke, die sich sofort den Mund zuhielt.

„Hm,“ grübelte die Hexe laut, „dass sich durch die Zauberkraft manches verschiebt, wusste ich. Aber das hätte ich auch nicht erwartet. Interessant.“

Als die Prinzessin zu sprechen ansetzte, um die Magd nach ihrem Befinden zu befragen, fiel sie wieder in Ohnmacht.

„Genug ist genug!“, sprach der König. „So kann das nicht weitergehen mit meiner Tochter. Aber ich kann auch nicht zulassen, dass ihr etwas passiert. Nachher fällt sie nicht mehr in Ohnmacht, hat aber riesige Elefantenohren. Wer kann mir garantieren, dass das nicht passiert?“

Fragend schaute er in die Runde.

„Nun ja, Hexerei kommt mit Nebenwirkungen daher. Bekommst du das eine, wird dir etwas anderes genommen“, erklärte die Hexe kleinlaut.

„Natürlich kann ich nicht sagen, was der Preis sein wird, aber ist es das nicht trotzdem wert?“

An die Prinzessin gewandt, die mittlerweile wieder zu sich gekommen war, sprach sie: „Eure Hoheit, wie ist euer dritter Wunsch? Sprecht frei!“

„Ehrlich gesagt bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich mir durch Hexenkraft helfen lassen möchte“, antwortete diese sichtlich verunsichert.

„Aber Prinzessin Adelheid Anna Klara!“, rief Hoffräulein Antonella. „Was, wenn es die einzige oder letzte Chance ist, die Ohnmacht loszuwerden?“

Die Prinzessin wusste nicht ein noch aus und fing bitterlich an zu weinen. Prinz Henry, der als letzter der Prinzen noch auf dem Schloss verweilte, hatte sich, trotz der Ohnmachtsanfälle, Hals über Kopf in die Prinzessin verliebt. Er hatte all die vergeblichen Versuche, der Prinzessin zu helfen, mit angesehen, sich aber bis jetzt im Hintergrund gehalten. Als er die Prinzessin so bitterlich weinen sah, trat er vor und kniete sich vor den König nieder und hielt um die Hand der Tochter an.

„Mir macht es nichts aus, dass sie in Ohnmacht fällt, denn ich habe mich in sie verliebt“, erklärte er.

Der König erhob sich überrascht aus seinem Thron.

Doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Prinz Henry an die Prinzessin gewandt fort: „Prinzessin Adelheid Anna Klara, willst du mich heiraten?“

Diese hatte mit dem Weinen aufgehört. Prinz Henry war der einzige, dem es auch ohne ein Versprechen auf eine Hochzeit wichtig gewesen war, wie es ihr ging. Außerdem musste sie zugeben, dass ihr sein Gesicht seit dem Drachenmalheur im Garten nicht mehr aus dem Sinn gegangen war und sie sich freute, wenn sie ihn sah.

Während ihr diese Gedanken durch den Kopf schossen, wurde ihr schwarz vor Augen und sie fiel einmal mehr in Ohnmacht. Der Ohnmachtsdiener konnte sie gerade noch auffangen und Prinz Henry eilte die Stufen zum Thron empor zu ihr.

Als sie wieder zu sich kam, richtete sie sich auf und wandte sich an Prinz Henry: „Auch ich habe mich in dich verliebt und möchte dich heiraten!“

Voller Freude nahm der Prinz die Prinzessin in seine Arme und sie drehten sich im Kreis.

„Meine Antwort ist wohl völlig uninteressant?“, fragte König Rauschebart im gespielten Ernst.

„Oh, aber natürlich nicht“, erwiderte der Prinz eingeschüchtert und setzte Prinzessin Adelheid Anna Klara wieder ab. Diese sah ihren Vater erwartungsvoll an.

„Ich habe überhaupt nichts dagegen“, rief der König erleichtert und glücklich lachend.

„Den Grund für die Ohnmacht können wir immer noch herausfinden. Jetzt muss erstmal eine Hochzeit geplant werden!“

Und wenn sie nicht gerade in Ohnmacht fällt, leben Prinz Henry und Prinzessin Adelheid Anna Klara noch immer glücklich und zufrieden zusammen.

Die Bilder wurden gemalt von der Autorin Lea Kruppke. Diese sind im Buch nicht enthalten

 

Buchinfos

  • Titel: Die bunte Märchentraube
  • Autor: 23 Autorinnen und Autoren
  • ISBN: 9783944873442
  • Genre: Märchenbuch
  • Umfang: 176 Seiten
  • Format: A5, Hardcover
  • Empfohlenes Alter: ab 5 Jahre
  • Preis (Print): 18 Euro
  • Verfügbar (Printbuch): shop.carow-verlag.de